Jahresgabe Nr. 13

Written by KVN-Admin

Jahresgabe Nr.13 des Kunstvereins Nördlingen

Achim Fischel

„Nördlinger Schwein“, 2014
Computerzeichnung
Inkjet Print auf Fotopapier, 26,9 x 19 cm
signierte, nummerierte und auf 100 Exemplare limitierte Auflage


In Nördlingen kennen sie alle, die „So, G’sell, so“ – Geschichte vom Schwein, das die Stadt im 15. Jahrhundert vor einem feindlichen Eindringen der Truppen des Grafen von Oettingen bewahrt haben soll. Ein Lodweber hatte seine Frau noch spätabends zum Bierholen geschickt. Diese bemerkte eine Sau, die sich an den Torflügeln des Löpsinger Tores rieb, welches sich dadurch öffnete. Ihr überraschter Ausruf „So, G’sell, so!“ vertrieb das Schwein, alarmierte ihren Mann und führte dazu, dass die Stadt den geplanten Überfall vereiteln konnte.
An diese historisch aber nicht gesicherte Begebenheit erinnert noch heute der Nördlinger Wächterruf. Der Türmer auf dem Daniel, dem Kirchturm von St. Georg am Marktplatz, ruft von 22 bis 24 Uhr halbstündlich sein „So, G’sell, so“ vom Turm herab – nicht nur eine Attraktion für Touristen.
Der Karlsruher Maler Achim Fischel war im November 2013 einer von sieben Künstlerinnen und Künstler, die der Kunstverein Nördlingen zur Ausstellung „ausgetauscht“ mit dem Zehnthaus Jockgrim eingeladen hatte.
Fischel zeigte sich nach einer Stadtführung derart begeistert von der Geschichte mit der Sau, dass er sich entschloss, ein Motiv danach für den Nördlinger Kunstverein zu gestalten.

Die Zeichnung wird von einer vereinfachten Formensprache und einer plakativ gesetzten, kontrastreichen Farbigkeit bestimmt. Mit breiten schwarzen Linien sind die Umrisse einer weiblichen Figur mit einem Schwein auf dem Arm ins Bild gesetzt. Diese ist en face gesehen und als Dreiviertelfigur dargestellt. Der Körper wurde leicht aus der Bildmitte nach rechts gerückt, Kopf und Unterleib sind vom Bildrand angeschnitten. Die linke Gesichtshälfte der Frau wird vom Kopf des Schweines teilweise verdeckt. Der rote Mund ist gerade noch zu sehen. Ein Knäul aus schwarzen Linien stellt die Haare dar. Die Frau trägt ein blaues, halbärmeliges Oberteil und einen grünen Rock, dessen Farbe im Gesicht wieder aufgenommen wird. Auf ihren Armen ruht das Schwein. Auffallend treten die langen Finger der vor dem Körper übereinander gelegten Hände hervor. Die Unterarme und Hände sind weiß gehalten und nur durch einige wenige, zarte, rosafarbene Binnenstrukturen markiert. Der Hintergrund der Figuren ist in einem hellen Rotton gehalten, der sich in komplementärem Kontrast zu den grünen Flächen im Bild abhebt.

Das Schwein ist in Seitenansicht dargestellt, der Rücken wird vom rechten Bildrand angeschnitten. Es wendet sich nach rechts und blickt aus dem Bild heraus. Die Beine hat es gerade von sich gestreckt, der Ringelschwanz hängt locker herab. Im Gegensatz zu den homogenen Farbflächen der übrigen Bildteile wird die Hautoberfläche des Tieres durch einen ockerfarbenen Ton bestimmt und wirkt durch die darin befindliche, feinkörnige, schwarze Struktur plastisch.
Fischel hat das Schwein, das ja auch die Hauptrolle in der Geschichte spielt, in den Vordergrund gerückt. Die Art und Weise, wie die Frau es auf dem Arm trägt, erinnert an frühe Madonnendarstellungen des 15. Jahrhunderts, auf denen Maria das Jesuskind dem Betrachter regelrecht präsentiert.
Achim Fischels Gestaltung bedient sich dieser Anspielungen, um auf die besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier hinzuweisen. Seine Umsetzung lässt Dankbarkeit und Innigkeit erkennen, Emotionen, die dem historischen Anlass entsprechend, die Verbundenheit der Nördlinger mit diesem Nutztier zeigen.
Achim Fischel (geb. 1941) hat an der Kunst- und Werkschule in Pforzheim u.a. bei Prof. Gonn Mosny, einem Meisterschüler von Willi Baumeister, studiert. Er ist seit vielen Jahren freischaffend tätig. Der Künstler hat die weibliche Figur zu seinem Hauptthema gemacht. Fischels ruhige Bilder enthalten oftmals symbolische Verweise und rätselhafte Zeichen, die dazu anregen, über die Sinnhaftigkeit der Motive nachzudenken. Die zeichnerische Arbeit mit dem Computer ist ihm dabei ebenso wichtig wie Malerei, Objektkunst oder seine keramische und schmuckgestalterische Arbeit.

Dr. Sabine Heilig, im November 2014